Boris Camenzind

Gebäudeversicherung Luzern

18. August 2020

Boris Camenzind, Sie sind als Leiter Prävention bei der Gebäudeversicherung Luzern für den Brandschutz im Kanton Luzern zuständig. Welche Themen beschäftigen Sie aktuell besonders?
Da ist zum einen der Trend nach grösseren und höheren Bauten. Ich denke an die Mall of Switzerland, aber auch an grossvolumige, möglichst transparente Gewerbebauten sowie diverse Hochhäuser, die im Moment in der Planungs- und Bauphase stecken. Damit verbunden ist eine hohe Technisierung der Gebäude, auch bei den Brandschutzeinrichtungen.
Auf der anderen Seite sind es die neuen «Spielregeln» der Brandschutzrichtlinie «Qualitätssicherung im Brandschutz». Sie verlangen von den Eigentümern, Planern und Handwerkern eine konsequente Übernahme der ihnen zugewiesenen Verantwortung. In diesem Bereich besteht immer noch viel Erklärungsbedarf.

Welche Ziele verfolgt Ihre Abteilung Prävention bei der GVL?
Das oberste Ziel ist die Sicherheit der Personen vor Feuer innerhalb der Gebäude. Als Richtschnur dienen die schweizerischen Brandschutzvorschriften. Eine der grossen Herausforderungen ist es, diese Vorschriften grundsätzlich umzusetzen, aber in besonderen Situationen das Schutzziel auch mit anderen Massnahmen zu erreichen.
Eine Verschärfung der Vorschriften mit dem Ergebnis einer weiteren Schadenreduktion ist sicher nicht unser Ziel. Die Brandschutzvorschriften in der Schweiz sind auf einem hohen, aber vernünftigen Niveau. Mit der laufenden Erneuerung des Gebäudeparks verschwinden alte und «unsichere» Gebäude und werden durch moderne «sichere» Gebäude ersetzt. Dies ist auch ein Grund, warum trotz der hoch bleibenden Anzahl Schadenfälle die effektiven Schadensummen immer kleiner werden.
 

Wichtig ist, dass der Planer die wichtigsten Brandschutzgrundlagen frühzeitig berücksichtigt.


Mit welchen Hindernissen haben Sie am meisten zu kämpfen? 
Das fängt an bei ungenügenden Plangrundlagen für eine feuerpolizeiliche Beurteilung und geht bis zu gröberen Brandschutzmängeln bei der feuerpolizeilichen Abnahme. Wir dürfen mit vielen guten und engagierten Planern zusammenarbeiten, welche die Wichtigkeit und den Nutzen einer sorgfältigen Planung und Umsetzung erkannt haben – aber es gibt leider auch andere Akteure. Aus meiner Sicht wird das Thema Brandschutz in den Ausbildungen aller Stufen (Lehre, Fachhochschule, Hochschule) zu stiefmütterlich behandelt. Dadurch gibt es öfters Zielkonflikte zwischen dem Architekturentwurf und dessen möglicher Umsetzung. Wichtig ist, dass der Planer die wichtigsten Brandschutzgrundlagen (Fluchtweglängen, Anzahl Treppenhäuser, maximale Brandabschnitte) frühzeitig berücksichtigt, damit er nach der Baueingabe das Projekt nicht nochmals anpassen muss. 

Wie lassen sich Schadensereignisse grundsätzlich vermeiden?
Der Verursacher vieler Brände ist der Mensch selbst, wenn er zum Beispiel Kerzen unbeaufsichtigt brennen lässt, Kochgut auf den eingeschalteten Herdplatten vergisst oder Sicherheitsmassnahmen nicht beachtet. Mit öffentlichen Kampagnen versucht die GVL, auf diese häufigen Brandursachen aufmerksam zu machen und das richtige Verhalten aufzuzeigen.Ein häufiger Schadenverursacher sind auch Elektrizität und Blitzschlag. Hier kann man sich durch professionell erstellte und gut unterhaltene elektrische Einrichtungen sowie eine Blitzschutzanlage schützen. Viele Hauseigentümer installieren freiwillig eine Blitzschutzanlage – das freut uns und wir unterstützen dies auch mit einem finanziellen Beitrag.

Wird im Brandschutz der Gebäude generell genug getan oder besteht Nachholbedarf?
Der Brandschutz im Gebäude ist zentral. Dieser wird durch Brandabschnitte, Brandschutzeinrichtungen und das richtige Verhalten im Brandfall sichergestellt. Die Gebäudeversicherung Luzern beurteilt sämtliche Baugesuche im Kanton bezüglich Brandschutz und gewährleistet damit, dass dem Brandschutz überall die gleiche Bedeutung zukommt und die Gebäude sicher gebaut werden. Aus meiner Sicht wird im Brandschutz der Gebäude wie auch in der Präventionsarbeit genug getan.
 

Die Brandschutzvorschriften in der Schweiz sind auf einem hohen, aber vernünftigen Niveau.


Wie hoch sind die Kosten für Präventionsmassnahmen im Vergleich zu den eingesparten Schadensummen? 
Diese Frage kann ich so nicht beantworten. Es wird öfters erwähnt, dass der Brandschutz bei einem Neubau, der die grundlegenden geometrischen Anforderungen erfüllt, weniger als 5 % der Bausumme kostet. Diese Zahl ist für mich plausibel. Dem können die Aufwendungen gegenübergestellt werden, wenn ein Betrieb einen Brand und einen längeren Betriebsunterbruch haben sollte – und allenfalls viele Kunden verliert. Ich bin überzeugt, dass der vorbeugende Brandschutz eine gute Investition in die Unternehmenssicherheit ist.
Über den ganzen Kanton betrachtet stellen wir fest, dass die Feuerschäden dank Präventionsmassnahmen und gut ausgebildeten Feuerwehren laufend sinken und die Versicherungsprämien gesenkt werden können. So zahlen sich die finanziellen Aufwendungen in den Brandschutz langfristig für alle Gebäudeeigentümer aus.

Wie steht es mit der fortschreitenden Digitalisierung – ist sie auch für die Brandschutzprävention nützlich?
Einerseits hilft sie in der Planungsphase, indem alle Projektbeteiligten miteinander vernetzt werden können. So wird zukünftig hoffentlich auch der Brandschutzplaner frühzeitiger ins Projekt involviert und muss nicht am Schluss eine «falsche» Planung korrigieren.
Auf der anderen Seite werden auch Gebäude digitaler und intelligenter. Und es wird bald selbstverständlich sein, in intelligenten Gebäuden Rauchmelder zu platzieren und ins Leitsystem zu integrieren. So werden eine schnellere Alarmierung im Brandfall möglich und langfristig die Feuerschäden weiter gesenkt.

 

Wer für die Brandschutzrichtlinien zuständig ist

Das oberste politische Organ ist ein Gremium aller Kantone, das IOTH (Interkantonales Organ zum Abbau technischer Handelshemmnisse). Dieses hat der VKF (Vereinigung der kantonalen Feuerversicherungen) den Auftrag erteilt, schweizweit gültige Brandschutzvorschriften zu erstellen. Das IOTH genehmigt diese (nach einer breit gestreuten Vernehmlassung) und erklärt diese für die ganze Schweiz als verbindlich.

Innerhalb der VKF sind es Mitglieder der Brandschutzbehörden und der VKF selber, die in Zusammenarbeit mit Wirtschaftsverbänden und allen Interessierten die Brandschutzvorschriften formulieren. Diese werden alle 10 Jahre aktualisiert, um neue Architekturtrends, Erkenntnisse, Techniken, Materialien etc. in die Vorschriften integrieren zu können.

Boris Camenzind
Boris Camenzind

Abteilungsleiter Prävention bei der Gebäudeversicherung Luzern

www.gvl.ch/praevention